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Wie man sich entschuldigt: Brüche und Wiedergutmachung in Beziehungen

Lies weiter, um zu erfahren, wie du in einer Beziehung effektiv eine Entschuldigung aussprichst.

Nimm dir einen Moment Zeit und denke an die Beziehungen in deinem Leben, in denen du dich sicher fühlst, also geborgen, verstanden und entspannt. Was ist es an diesen Beziehungen, das dir das Gefühl von Schutz und Vertrautheit gibt? Denke an drei Situationen, in denen du mit dieser Person eine echte Verbindung gespürt hast und es dir leicht fiel, du selbst zu sein. Was hast du dabei entdeckt?

Laut der Bindungstheorie bestehen gute, d.h. gesunde Beziehungen zu etwa 30 % aus Einklang und zu 70 % aus Brüchen und Wiedergutmachung. Das bedeutet, dass es sehr menschlich ist, einen großen Teil der Zeit in einer Beziehung damit zu verbringen, kleine oder größere Konflikte zu klären und wieder gutzumachen.

Nur etwa ein Drittel der Zeit sind wir mit der anderen Person „im Einklang“ – das heißt, wir sind emotional aufeinander abgestimmt und bieten uns gegenseitig Unterstützung, Bestätigung und Verständnis. Diese Momente der Harmonie sorgen dafür, dass sich die Beziehung sicher und vertraut anfühlt.

Diese Sichtweise kann zunächst überraschen, aber sie verdeutlicht, wie wichtig Konflikte und deren Lösung für den Aufbau sicherer Beziehungen sind. Für manche mag das wie ein Freifahrtschein für schlechtes Verhalten klingen, aber ich persönlich sehe darin viel Hoffnung, schließlich machen wir alle Fehler.

Da es in jedem Fall zu Konflikten kommen wird, konzentrieren wir uns auf die Wiedergutmachung – sie macht nämlich den Unterschied! In diesem Artikel erfährst du, was Brüche und Wiedergutmachung in Beziehungen bedeuten und wie wichtig es ist, sich aufrichtig zu entschuldigen.

Was bedeutet ein Bruch?

Ein Bruch beschreibt Momente, in denen es zu Distanzierungen, Spannungen oder Konflikten in einer Beziehung kommt. Das kann von kleinen Missverständnissen über verletzende Worte bis hin zu unerfüllten Erwartungen reichen. Brüche sind in jeder Beziehung völlig normal. Entscheidend ist jedoch, wie wir damit umgehen, denn das macht den Unterschied aus.

Was ist Wiedergutmachung?

Wiedergutmachung bedeutet, den entstandenen Riss in einer Beziehung zu heilen. Es ist der entscheidende Schritt, um das Vertrauen und die emotionale Verbindung wiederherzustellen. Durch kontinuierliche Wiedergutmachung erleben wir Sicherheit und Stabilität in Beziehungen. Fehlt diese Bereitschaft zur Wiedergutmachung und häufen sich ungelöste Konflikte, droht eine emotionale Distanzierung, und die Verbindung kann verloren gehen.

Viele von uns sind vielleicht in einem Umfeld aufgewachsen, in dem Brüche oft ignoriert und Wiedergutmachungen nicht aufrichtig angestrebt wurden oder ganz fehlten. Doch für eine Wiedergutmachung ist es selten zu spät. Selbst nach Jahren kann sie für die Person, die verletzt wurde, von großer Bedeutung sein. Wenn eine Therapie gut funktioniert, kann sie dazu beitragen, fehlende Wiedergutmachung nachzuholen und Heilung zu ermöglichen.

Eine echte Wiedergutmachung sorgt dafür, dass sich die verletzte Person wieder sicher, verstanden und geborgen fühlen kann.

Wie Wiedergutmachung in Beziehungen aussieht:

  1. Sich entschuldigen: „Es tut mir leid, dass ich …“. Erkenne den Bruch an und übernimm die Verantwortung für das, was du falsch gemacht hast und was den Schaden verursacht hat.
  2. Bedauern ausdrücken: „Es tut mir leid, dass das passiert ist.“ Erkenne den Bruch an und drücke echte Traurigkeit über das Geschehene aus, wenn kein Fehlverhalten eingestanden werden muss.
  3. Zuhören und verletzten Gefühlen Raum geben: Bei der Wiedergutmachung geht es darum, dass sich beide Seiten gehört und verstanden fühlen. Es gibt keine schnellen Lösungen und auch keine Verteidigung deines Standpunkts.
  4. Die Beziehung wieder auf Kurs bringen: Wiedergutmachung kann schnell und implizit geschehen, z.B. durch eine gemeinsame Aktivität, die zeigt, dass dir die andere Person am Herzen liegt.
  5. Kleine Zeichen der Versöhnung: Hinterlasse eine Notiz, schicke eine liebe Nachricht oder schenke einen beruhigenden Blick – all das kann Trost spenden.
  6. Verantwortung übernehmen: Zeige mit Worten und Taten, dass du bereit bist, an der Beziehung zu arbeiten und der verletzten Person ein Gefühl von Sicherheit, Verständnis und Geborgenheit zu geben.

Wiedergutmachung in Beziehungen bedeutet letztlich, Brüche zu erkennen, Einfühlungsvermögen und Verantwortung zu zeigen und konkrete Schritte zu unternehmen, um das Vertrauen und die Verbindung zur anderen Person wiederherzustellen.

Denke daran: Versprich nicht, dass es nie wieder passieren wird. Stressreaktionen sind menschlich und werden höchstwahrscheinlich erneut auftreten. Du kannst jedoch dein Bestes geben, um die Häufigkeit und Intensität dieser Reaktionen zu verringern.

Warum (Selbst-)Mitgefühl im Prozess der Wiedergutmachung unverzichtbar ist

In stressigen Momenten verlieren wir alle manchmal unser Gleichgewicht und verhalten uns „gemein, schwach oder unbeteiligt“, d.h. wir sind übermäßig hart, ineffektiv oder psychologisch abwesend. Das ist menschlich. Uns in diesen Momenten (Selbst-)Mitgefühl und Verständnis zu schenken, heißt nicht, unser Verhalten zu rechtfertigen. Je mehr wir kritisiert werden oder uns selbst kritisieren, desto wahrscheinlicher ist es, dass wir in der Defensive verharren. Dadurch neigen wir dazu, den Bruch zu ignorieren oder bei der Wiedergutmachung nur an uns selbst zu denken und nicht an die Person, die verletzt wurde.

Mitgefühl von anderen zu erhalten (und auch Grenzen gesetzt zu bekommen!), wenn wir „gemein, schwach oder unbeteiligt“ sind, unterstützt uns dabei, wieder zu uns selbst zurückzufinden. Selbstmitgefühl hilft uns auch dabei, uns auf eine Wiedergutmachung mit uns selbst einzulassen, wenn wir in Stress geraten und uns verlieren. Dazu kann auch die Entscheidung gehören, sich professionelle Hilfe von einem Therapeuten oder einer Therapeutin bzw. eine:m Berater:in zu holen. Und letztlich ist Mitgefühl auch immer eine gute Idee, wenn wir uns verletzlich fühlen.

Wie du dich nach einem Bruch in der Beziehung entschuldigst

Entschuldigungen können manchmal eine Herausforderung sein, da wir uns dabei verletzlich fühlen und unsere Schwäche zeigen. Aber wir wissen alle, dass eine Entschuldigung manchmal notwendig ist. Wir haben alle bereits Situationen erlebt, in denen eine Entschuldigung fehlte und festgestellt, welchen Unterschied es macht, wenn sie kam. Die Wiedergutmachung und Entschuldigung vertieft unsere Beziehungen. Wie sollte also eine gute Entschuldigung aussehen, und was sollte dabei vermieden werden?

Was eine echte Entschuldigung ausmacht:

  • Anerkennen und den Fehler benennen: Eine aufrichtige Entschuldigung beginnt damit, dass du anerkennst, was du falsch gemacht hast. Dazu gehört, deinen Fehler offen und ohne Vorbehalt zuzugeben.
  • Einfühlungsvermögen zeigen: Aufrichtiges Einfühlungsvermögen auszudrücken, ist sehr wichtig. Zeige echtes Verständnis dafür, wie deine Worte oder Handlungen die andere Person emotional oder eventuell sogar körperlich getroffen haben.
  • Den Wunsch nach Wiedergutmachung ausdrücken: Für eine gute Entschuldigung ist es wichtig, ganz klar zu vermitteln, dass du das Geschehene wiedergutmachen möchtest. Frage die betroffene Person, wie du, nachdem was du gesagt oder getan hast, die Situation wieder in Ordnung bringen kannst. So zeigst du deine Bereitschaft zum Handeln.

Was du bei einer Entschuldigung vermeiden solltest:

  • Anschuldigungen: Verzichte darauf, der anderen Person Schuld zuzuweisen. Sätze wie „Es tut mir leid, aber…“ haben in einer aufrichtigen Entschuldigung nichts zu suchen. Wenn du andere beschuldigst, entziehst du dich der Verantwortung für dein Handeln.
  • Selbstvorwürfe: Es ist zwar wichtig, Verantwortung zu übernehmen, aber übermäßige Selbstkritik kann den Fokus von der betroffenen Person weglenken. Eine Entschuldigung sollte sich darauf konzentrieren, den Schaden anzuerkennen, den du verursacht hast, und nicht auf dein eigenes Schuldgefühl.
  • Eine Entschuldigung im Gegenzug einfordern: Auf eine echte Entschuldigung sollte keine sofortige Forderung nach einer Gegenentschuldigung folgen. Solche Erwartungen lenken den Fokus von deiner Entschuldigung ab und wirken unaufrichtig.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Brüche und Wiedergutmachungen integrale Bestandteile gesunder Beziehungen sind. Eine starke Bindung zeichnet sich nicht durch die Abwesenheit von Konflikten aus, sondern durch die Fähigkeit, Brüche effektiv zu bewältigen. Eine aufrichtige Entschuldigung ist dabei sehr wirkungsvoll: Sie zeigt Einfühlungsvermögen, Verantwortlichkeit und das Engagement, die Beziehung zu heilen. Indem wir die Bedeutung der Wiedergutmachung verstehen und wertschätzen, können wir sichere Bindungen schaffen und liebevolle Beziehungen wiederherstellen.


Journal Prompt:

Erinnere dich an einen Moment, in dem du eine aufrichtige Entschuldigung gebraucht hättest, die nie kam. Beschreibe die Situation, ohne auf die Gründe einzugehen, warum keine Entschuldigung erfolgte. Schreibe auf, wie du dich gefühlt hast, sowohl emotional als auch körperlich. Atme anschließend tief durch und formuliere die Entschuldigung, die du in diesem Moment gebraucht hättest, nach den oben genannten Empfehlungen. Achte auf deine körperlichen Empfindungen, während du schreibst und wenn du dir den Empfang dieser Entschuldigung vorstellst.


Quellen und Ressourcen:

Ed Tronick, Claudia M. Gold, The power of discord. Why the ups and downs of relationships are the secret to building intimacy, resilience, and trust, 2021

Harriet Lerner, Versuch’s mal mit Entschuldigung: Wie Versöhnung kleine und große Herzschmerzen heilt, 2017

Hilary Jacobs Hendel, It’s not always depression. A New Theory of Listening to Your Body, Discovering Core Emotions and Reconnecting with Your Authentic Self, 2018

Wenn du tiefer eintauchen und weitere Instrumente für eine effektive Wiedergutmachung kennenlernen möchtest, probiere diese Übung des Gottman-Instituts aus: Aftermath of a Fight Guide

Manchmal ist es schwer, in einer Beziehung auf 30% Einklang zu kommen. Wenn du Unterstützung für eine tiefere Verbindung und mehr Intimität brauchst, probiere diese Übung des Gottman Instituts aus: Fondness & Admiration Guide

Wenn du tiefer in das Thema „Entschuldigung“ eintauchen möchten, hör dir diese zweiteilige Podcast-Serie an: Harriet Lerner / Brené Brown, I’m sorry. How to Apologize and Why It Matters

Viele Informationen und Übungen zur Bindungstheorie werden in Erziehungsratgebern zur Verfügung gestellt:

Robyn Gobbel Die Baffling Behavior Show

Eran Katz The Apparently Parent Podcast

Daniel J. Siegel über die vier „S“ für den Aufbau einer sicheren Bindung wie in „Safe, Seen, Soothed and Secure“.

Der Circle of Security über Brüche in Beziehungen durch „Gemein, Schwach, Unbeteiligt” verursacht wird, wenn wir in Beziehungen in die Defensive geraten.


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